Kinderkriegen schwer gemacht: Hello again! – Und wie wir doch noch schwanger werden können

von mama moves

„Ich habe leider keine guten Nachrichten“, sagt mein Frauenarzt. Ich weiß gar nicht, ob ich mich bestätigt oder traurig oder wütend oder leer oder neutral fühle. Vermutlich von allem ein wenig. Natürlich hatte ich gehofft, dass sich alles mittlerweile normalisiert hat – dass ich nach der Geburt und spätestens nach dem Abstillen meine Periode bekomme, dass sich die Schleimhaut aufbaut, dass sich Follikel in den Eierstöcken befinden, dass ich wieder eigenständig Östrogen produziere. Dass unserem erneuten Kinderwunsch nichts mehr im Wege steht.

Hallo Realität, du Miststück.

Wie schon damals, vor meiner ersten Schwangerschaft, liegt auch jetzt – ein Jahr nach Lias‘ Geburt – der Verdacht auf eine Primäre Ovarialinsuffizienz vor: Eine Funktionsstörung der Eierstöcke. Dieser Zustand der eingestellten Hormonproduktion aufgrund verbrauchter oder kaum vorhandener Follikel tritt bei gesunden Frauen normalerweise erst nach den Wechseljahren auf (weswegen dann die Menstruation ausbleibt), bei mir schon Mitte Zwanzig. Ihr kennt meine (Fitness-) Geschichte und ich überspringe deshalb den Punkt, weshalb Sport manchmal wirklich „Mord“ bedeuten kann. Der Punkt, der an dieser Stelle relevant ist, ist: Ich kann so, wie es jetzt ist, keine Kinder bekommen.

Als ich vor 2 Jahren erstmals von diesem Krankheitsbild erfuhr, rieselte mein kleines Märchenschloss in sich zusammen. Mein Mann und ich, frisch verheiratet, wünschten uns nichts mehr als ein Baby und das rückte mit einem Schlag in unerreichbare Ferne. Zwar begann ich sofort mit einer Hormontherapie, um die endgültige, irreversible Menopause zu verhindern, nahm zusätzliche einige weitere Tabletten, trieb weniger Sport, aß mehr, genoss mein Leben und setzte mich mit dem Thema positiv und konstruktiv intensiv auseinander, doch innerlich war ich eine gebrochene Frau mit großem, ja fast schmerzlichem Kinderwunsch.

Nur 3 Monate nach der Diagnose und gleichzeitigem Beginn der Behandlung mit Progynova, einem Wechseljahre-Hormon, wurde ich schwanger. Es war das großartigste, emotionalste, aufwühlendste und unbegreiflichste Ereignis unseres Lebens, das selbst meinen Arzt berührte. Niemand hatte diese Schwangerschaft für möglich gehalten – zumindest nicht in dieser kurzen Zeit. Ich bin mir bis heute sicher, dass nicht nur die Ersatzhormone zu diesem Glück beitrugen, sondern mein völlig veränderter Lebensstil, der felsenfeste Support meines liebevollen Mannes, wie glücklich und verliebt wir waren, dass wir nicht mit dem verbissenen Gedanken an’s Kinderkriegen miteinander schliefen, sondern aus Lust und Liebe (da wir die Möglichkeit auf eine Schwangerschaft ohnehin zu dem Zeitpunkt für ausgeschlossen hielten) und vielleicht die eine oder andere Tablette, die ich zusätzlich genommen habe. Dazu weiter unten mehr.

Und noch einmal… 

Ich lebe also seit einem Monat, seitdem ich wieder bei meinem deutschen Arzt war, in einem kontinuierlichen Deja-Vu. Ich kenne diesen (gesundheitlichen) Zustand, der, der für eine Frau nicht nur aus Sicht des Kinderwunsches belastend ist. Eine Primäre Ovarialinsuffizienz macht sich körperlich stark bemerkbar: Schlafstörungen, Müdigkeit und Erschöpfungszustände, Gemütsverstimmungen, Scheidentrockenheit, Fehlen des Sexualverlangens. Mein Alltag, seit Jahren. Ihr seht es nicht, doch fast jeder Tag ist für mich ein Kampf, denn ich fühle mich meist schwach und antriebslos, psychisch wie physisch. Dass ich so energiegeladen und fröhlich wirke, ist eine mentale Strategie. Nein, nicht gespielt, ganz einfach antrainiert und verinnerlicht. Funktioniert ungefähr so: Sei, wie du sein möchtest, geh immer weiter, da Stillstand seelischen Tod bedeutet, lache, weil Weinen dich ertränkt, lebe und liebe mit Haut und Haar, da du ohnehin keine andere Wahl hast. Und so dramatisch es sich anhört, kann ich euch versichern, dass ich ein unheimlich glücklicher Mensch bin, weil ich meinen Weg aus dem dunklen Dschungel gefunden habe und ihn voller Hoffnung, Freude und Lust gehe. Und zum anderen, weil dieser Weg mich zu meinem größten Glück geführt hat, meinem Kind.

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Vielleicht ist meine eigene positive Vorgeschichte, der Beweis, dass es trotz schlechter Aussichten klappen kann, der Grund, weshalb ich mit der neuen, alten Diagnose einigermaßen gut zurecht komme. Weshalb sie mir nicht den Boden unter den Füßen weg reißt, so wie damals. Weshalb ich zwar traurig, aber nicht niedergeschlagen oder gar untröstlich bin. Ich bin lediglich sehr, sehr müde. Denn ich habe vor 4 Wochen wieder begonnen, die Ersatzhormone einzunehmen, damit wir vielleicht noch einmal eine Chance auf ein zweites Kind bekommen.

Schwanger mit Progynova

Progynova enthält den Wirkstoff Estradiol, der zu der Gruppe der Östrogene gehört. Es wird als Hormonersatz bei älteren Frauen eingesetzt, bei denen aufgrund der Wechseljahre die Regel ausgeblieben ist – oder auch bei jüngeren, bei denen die Eierstöcke entfernt wurden oder eine Unterfunktion vorliegt. Mit Progynova werden also primär Symptome eines Östrogenmangels gemindert, etwa Hitzewallungen, depressive Verstimmungen und viele weitere, von denen ich euch ja oben schon einige genannt habe. Oder es kann eben dabei helfen, die Eierstöcke wieder zur Funktionalität anzuregen und den Wunsch nach einer Schwangerschaft zu erfüllen.

Doch Progynova hat Nebenwirkungen. Wie immer können sie sich bei jeder Frau unterschiedlich stark bemerkbar machen. Ich gehöre zu denen, die mit den Tabletten zu einem anderen Menschen werden, die leiden. Das war schon bei meiner ersten Therapie vor 2 Jahren so und so ist es auch jetzt,.

Ich nenne euch nachfolgend nur die Nebenwirkungen, die auf mich zutreffen und zwar seit Beginn der Tabletteneinnahme:

Brust-Spannungsgefühl, Ausfluss, Kopfschmerzen, Übelkeit, Sexualtriebverminderung, Schmerzen beim Sex, Benommenheit, Nervosität, Ausschlag, Verdauungsbeschwerden, Völlegefühl, Durchfall, Bauchschmerzen, Beinschmerzen, Stimmungsschwankungen, manchmal depressive Verstimmungen, Rückenschmerzen, Gewichtszunahme, Gewebswassereinlagerungen (Ödeme), Kraftlosigkeit, allergische Hauterscheinungen, farbige Flecken im Gesicht, Magenkrämpfe, Bauchkrämpfe, Blähungen, Schwindel, Müdigkeit, Akne, starker Juckreiz, Haarausfall, Nagelveränderungen (sehr brüchig), Harndrangsteigerung, Harninkontinenz, Augentrockenheit, Gelenkschmerzen, Schnupfen, Zittern, Unruhe, Herzstolpern, Teilnahmslosigkeit, Konzentrationsschwäche, Grippe-Symptome, Schlaflosigkeit.

Die schlimmste Nebenwirkung sind die immensen Stimmungsschwankungen. Von einem Augenblick auf den nächsten möchte ich allein sein, weinen, schlafen, im nächsten Augenblick bin ich voller Euphorie, voller Lebenslust und Glücksgefühlen. Fragt mal meinen Mann, wie es ist, mit einem so hormongesteuerten Menschen zusammen zu leben … 😉 

Ganz schlimm sind auch diese unendliche Kraftlosigkeit, die Müdigkeit, Benommenheit und Erschöpfung, die ich nur in den Griff bekomme, in dem ich dem mit Bewegung und Ablenkung entgegenwirke. Fast schon nebensächlich die stetige Gewichtszunahme, die Wassereinlagerungen, meine unreine Haut, der dauerhaft aufgeblähte, schmerzende Bauch und alle anderen, oben aufgeführten Symptome.

Ich bin ganz ehrlich: Du stehst das alles nur durch, wenn dein Wunsch nach einem gesunden, intakten Körper und einer davon abhängigen Schwangerschaft stärker ist, als die heftige Wirkung der Tabletten.

Warum Progynova?

Mich hat neulich eine Freundin gefragt, warum ich diese Tabletten nehme, wenn sie mich so runterziehen. Ob ich es nicht erst auf ganz natürlichem Wege, vielleicht mit einem Osteopathen, versuchen wollte.

Nein.

Ich bin kein Freund chemischer Hormonbomben, aber beim Thema Kinderwunsch mache ich keine Experimente, zumal mir die Zeit dafür nicht bleib. Ich glaube an die Kraft der Natur, ja, das tue ich wirklich. Aber ich werde eine endgültige Unfruchtbarkeit nicht riskieren (und die droht nunmal, wenn man nicht schnellstmöglich behandelt) und mich lieber durch die „Hormonhölle“ kämpfen, immer die Hoffnung vor Augen, noch einmal das Wunder eines Babys erleben zu dürfen.

Die Chancen auf eine Schwangerschaft erhöhen

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Dennoch möchte ich allen Frauen, die sich in einer ähnlichen gesundheitlichen Lage befinden oder Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, noch einige weitere Tipps mit auf den Weg geben. Ich weiß natürlich nicht, was letztlich tatsächlich zu meiner gesunden Schwangerschaft geführt hat, aber ich habe damals, in den 3 Monaten zwischen der Diagnose und meiner Schwangerschaft, folgende Maßnahmen ergriffen:

♥ Ich habe sofort angefangen, Folsäure 800 einzunehmen.

♥ Zusätzlich nahm ich Mönchspfeffer ein. Dabei handelt es sich um eine Pflanze mit hormonregulierender Wirkung, die schon in der Antike als Heilpflanze eingesetzt wurde und heute von Frauen mit Kinderwunsch (zum Beispiel in Tablettenform) eingenommen wird. (bitte mit Arzt abklären!)

♥ Es kann auch nicht schaden, Zink, Eisen und die Vitamine B12, D und C einzunehmen. Das aber bitte ebenfalls mit dem Arzt absprechen.

♥ Ich konzentrierte mich auf eine Gewichtszunahme, da ich damals zu wenig wog und vor allem zu wenig Körperfett besaß. Wir Frauen brauchen jedoch Körperfett, um Östrogene zu produzieren. Also aß ich deutlich mehr.

♥ Außerdem trieb ich weniger Sport und gab meinem Körper mehr Erholung, mehr Schlaf. Kein Sport ist übrigens auch keine Lösung! Es ist bekannt, dass Sport die Fruchtbarkeit positiv beinflussen kann, wenn man es denn nicht übertreibt. 

♥ Nicht nur mehr Kalorien und weniger Sport, auch ein generell gesunder Lebensstil prägten diese Zeit. Ich aß zwar viel, aber primär gesund und ausgewogen und trank nur sehr wenig Alkohol.

♥ Wir fuhren spontan in den Urlaub nach Abu Dhabi, wo ich nichts anderes tat, als zu essen, zu lesen, zu liegen und mit meinem Mann zu kuscheln. Stichwort: Kopf aus! Denn ich halte es für ganz wichtig, ohne Druck und Verbissenheit an den Kinderwunsch heranzutreten. Auch der Partnerschaft zuliebe. Gebt euren Männern nicht das Gefühl, nur Samenspender zu sein!

Mein Kampf um ein Baby

Hier im Überblick also die Maßnahmen, die ich aktuell ergreife, um meinen Hormonhaushalt wieder auszugleichen.

♥ Die Behandlung mit Progynova ist erst einmal auf 3 Monate terminiert. Ich nehme die Tabletten wie die Anti-Baby-Pille: 3 Wochen täglich eine, 1 Woche Pause. Bereits im ersten Zyklus durfte ich mich endlich über eine Regelblutung freuen! Das bedeutet zwar nicht, dass ich auch einen Eisprung habe, aber dass sich überhaupt irgendetwas tut, macht mir Mut.

♥ Zusätzlich nehme ich täglich Mönchspfeffer, eine Kombination aus Folsäure + Vitamin B12 + Vitamin D, Zink, Vitamin C.

♥ Ich trinke viel Wasser und Grüne- oder Kräutertees, esse genug, gesund und vor allem sehr vielfältig.

♥ Ich treibe nur moderat Sport und gehe mit Spaß an die Sache.

♥ Ich versuche viel zu schlafen und mich auszuruhen.

♥ Ich werde erstmals auch einen Ovulationstest machen (mit Clearblue), um anhand meines Urins zu sehen, ob und wann ein Eisprung vorliegen könnte.

♥ Und schließlich fokussiere ich mich auf mein mentales Glück, was sich primär in einer qualitativen Familienzeit mit meinen beiden Männern entfaltet. Dazu gehört, dass ich mein Leben in vollen Zügen genieße, mir keinen Druck und keine Sorgen mache, positiv nach vorne schaue. Denn ich bin fest überzeugt: Nicht nur ein gesunder körperlicher Zustand entscheidet über eine erfolgreiche Behandlung und letztlich eine Schwangerschaft, sondern auch der gesunde Kopf!

Wie es nun weiter geht

… wie bisher, nur mit ein paar Kilos mehr auf den Rippen, jede Menge Pickeln und eben etwas langsamer, ihr wisst schon, die Müdigkeit … 😉 Ich versuche so zu leben, wie ich es damals tat, als ich von der Diagnose erfuhr, ich versuche jeden Tag den A**** hochzubekommen, trotz der Pillen noch Ich selbst zu sein, mich auf das Wesentliche konzentrieren, auf das, was mich wirklich erfüllt, mich von allem fernhalten, das mich runterzieht. Und ja, richtig erkannt, dazu gehört mein Rückzug aus Instagram und Snapchat und dass ich nur gelegentlich poste und auch nur, wenn ich wirklich Bock habe.

Doch vor allem werde ich mich jeden Tag an dem erfreuen, was ich habe und nicht dem hinterher heulen, was ich nicht habe. Ich wünsche mir sehr ein zweites Kind, jetzt oder in ein paar Jahren, doch wenn es nicht klappt, mache ich mir immer wieder das Wunder und unendliche Glück präsent, das wir mit Lias haben.


! Kleine Anmerkung zum Schluss. Ich habe in den letzten Wochen einige Nachrichten über Instagram oder Snapchat mit der Frage oder gar Feststellung bekommen, ob / dass ich schwanger sei. All meine Symptome, von denen ich ja hier und da sprach, würden ja deutlich darauf hinweisen. Abgesehen davon, dass ich es für sehr unhöflich halte, eine fremde Person auf die Möglichkeit einer Schwangerschaft anzusprechen, möchte ich euch angesichts meiner schwierigen Situation, die ich hier sehr offen mit euch geteilt habe, weil ich denke, dass sie für viele Frauen interessant sein könnte, von solchen Fragen zukünftig abzusehen. Danke!

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74 Kommentare

Christin 22. November 2020 - 4:13

Toll diesen Text zu lesen.
Auch wenn in mir ganz viele Fragen und Neugierde aufkommt.
Ich habe die Diagnose auch vor 3 Monaten (mit 30 Jahren) erhalten und weiß nicht recht weiter, da man leider ansonsten eher negative Berichte findet und ich bereits 2 mal die gleiche Meinung von Ärzten bekommen habe.
Wahnsinns Geschichte, hierüber solltest du noch viel mehr schreiben und teilen, da man im Netz nicht wirklich viel dazu findet ..

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