S. & J., ich möchte euch etwas über eine Geburt erzählen…

von mama moves
Tipps für Geburt

Liebe S., liebe J., ihr seid meine Freundinnen, beide ganz unterschiedlich, doch gleich wunderbar, ihr kennt euch nicht, seid euch aber unbewusst ganz nah, denn ihr erlebt zeitgleich ein identisches Wunder: Ihr werdet zum ersten Mal Mama.  Eine alles verändernde, gigantische Erfahrung, die ich schon vor einem halben Jahr machen durfte. Ihr wisst, ich habe bisher nur ein Kind geworfen und noch nicht mal allein, sondern mithilfe einer ganzen Weißkittel-Mannschaft im OP, aber ich möchte euch trotzdem einige Zeilen mit auf den Weg in den Kreissaal geben. Sie werden euch vielleicht die eine oder andere Frage beantworten, euch hoffentlich etwas Mut und Lust machen, werden euch diese Zeilen aber auch nur zum Schmunzeln oder aber zum Weinen bringen, oder euch Angst machen, letztlich aber ganz bestimmt wissen lassen, dass ich euch schrecklich mag. Und jetzt schon auch die beiden kleinen Wesen, die in euch heranwachsen. 

Ich glaube zu wissen, wie es euch geht. Vermutlich unterscheiden wir uns (werdenden) Mütter alle gar nicht so sehr voneinander… Es ist eine Mischung aus Neugierde, Euphorie, Nervosität, Endorphine, großer Vorfreude, Ungeduld, Melancholie, Angst. Ich erinnere mich noch gut an die Wochen vor der Geburt und wie um die 35. Woche herum die Stimmung umschlug: aus Ich-liebe-meine-Schwangerschaft-und-möchte-nie-wieder-etwas-anderes wurde plötzlich Wann-kommst-du-endlich-raus-du-kleines-Kraftpaket-ich-will-das-alles-nicht-mehr!! Die Angst vor der Geburt wurde jedoch von dem Wunsch, dass sie endlich stattfindet, verdrängt. Ob ich mich bereit fühlte? Ich glaube, die Frage stellt sich eine hochschwangere Frau gar nicht mehr. Denn das Produkt ist vom Umtausch seit 10 Monaten ausgeschlossen. Und in einem Stadium wie diesem sind Störfaktoren wie schlechter Schlaf, Heißhunger, „hab ich alles Wichtige gekauft??“, Blasenschwäche, chronische Sensibilität und Watschelgang sowieso präsenter als die Frage, ob man denn jetzt nun schon gebären möchte oder nicht. 

Ok, ich spiele jetzt mit Klischees. Tatsächlich ist es ja so, dass jede Schwangerschaft anders verläuft. Während eine von euch kaum „Symptome“ hat, ist die andere von Beginn an von dem einen oder anderen Nebeneffekt geplagt. Und trotzdem gehören beide von euch zur Norm – ein kleiner Trost? Ich genieße jedenfalls beide eurer Schwangerschaften und bin hungrig auf jedes Bauchbild, jedes Detail dieser wunderschönen Zeit und natürlich vor allem auf das Endprodukt. Euer eigenes Kind.

Tipps für Geburt

Eigenes Kind. Während ich das schreibe, kommen mir die Tränen, tausende Bilder und noch mehr Emotionen hoch. Ihr wisst, ich habe schon enorm viel erlebt, viele Höhen und noch mehr Tiefen, aber das Ereignis einer Geburt und des Mutterseins übertrifft alles, was ich jemals emotional verarbeiten durfte. Deswegen freue ich mich so sehr für euch, denn wie auch immer die Geburt verlaufen wird, am Ende ist alles gut. Nein, perfekt. Denn ihr werdet die prächtigste Ernte all der vielen Arbeit in den Händen halten, jeglichen Schmerz und Kraftakt (nahezu) vergessen. Und deshalb bin ich froh, dass ich euch gar nicht so viele schlaue Tipps mit auf den Weg geben muss, denn eine Geburt ist nur ein kurzes Vorwort der „Unendlichen Geschichte“, die euch danach erwartet. Die Geschichte von dem härtesten, vor allem aber schönsten Job der Welt.

Ich würde alles nochmal ganz genau so machen. Sowohl in der Schwangerschaft, als auch bei der Geburt. Deshalb kommt hier für euch meine kleine Liste mit Gedanken und Tipps für den Endspurt bis hin zur Showtime:

Viiiieeeel Zeit für euch 

Der wohl beliebteste Ratschlag. Aber auch der klügste! Ehrlich, diese Zweisamkeit (zwischen euch und euren Bäuchen) ist eine ganz besondere und ich vermisse noch heute diese kräftigen Tritte kleiner Babyfüße in meinem Innern. Ich wünschte, man könnte sie irgendwie aufnehmen und ein Leben lang abspielen… Naja und außerdem werdet ihr vermutlich die nächsten 18 Jahre nicht mehr viel Zeit nur für euch haben. Also macht, wonach auch immer euch ist. Ich habe die letzten 2 Wochen nur vor mich hin vegetiert, nachdem ich die komplette Schwangerschaft lang so fit war! Mir war nur nach Bett, Pyjama, Eiscreme, Dunkelheit, Netflix und den Armen meines Mannes. Hach, rückblickend eine ganz tolle Zeit…

Esst, worauf ihr Lust habt

Zum einen in Anlehnung an Punkt 1., zum anderen aber auch weil der Körper euch sagt, was er braucht! Und wenn es nun mal ein Käsesandwich mitten in der Nacht ist, dann rein damit. Dat Kind braucht Benzin! Doch ihr kennt mich, ich kann das nicht so stehen lassen, ohne euch darauf aufmerksam zu machen, dass ihr euch natürlich hauptsächlich gesund ernähren müsst… necht?

Viele Kohlenhydrate in den letzten Tagen vor dem ET

Klingt nach nem banalen Ratschlag? Ist aber wirklich wichtig. Denn eine Geburt ist das anstrengendste, was ihr jemals erleben werdet und mit etwas Obst, 2 Frühstückseiern und Knäckebrot wird die Nummer noch ’ne Nummer härter. Natürlich ist nicht immer damit zu rechnen, dass das Kind am oder nach dem ET kommt (ihr wisst, Lias kam 10 Tage früher), aber Kohlenhydrate (Nudeln, Kartoffeln, Brot etc.) auch in den 2 Wochen davor zu schaufeln, kann definitiv nicht schaden.

Kliniktasche packen

Ha, das ist ein Arschlochthema, das meiner Erfahrung nach die meisten werdenden Mütter den Verstand raubt. Jede Liste im Internet sagt was anderes, deshalb kommt hier meine, an der ihr euch zur vollsten Verwirrung auch nochmal orientieren könnt: Ein großes T-Shirt und / oder ein großes Pyjamahemd mit Knöpfen (für die Geburt selbst), ein Pyjama mit Knöpfen oder ein weites T-Shirt (nach der Geburt), 2 Stilloberteile, ein Still-BH, eine weite Hose oder nur eine Unterhose (für die Geburt), eine weite Hose (nach der Geburt), 2 Paar Socken (während und nach der Geburt), weite Höschen (damit die dicken Binden herein passen), Flip Flops (S. , du nimmst am besten deine Birkenstocks… ;)), einen Hoodie (sollte es mal kalt werden, aber spätestens für den Nachhauseweg), viele kleine Snacks (am besten energiereiche wie Müsliriegel, Sandwiches, Obst), Vitaminwasser (mit Strohhalm! Damit euch euer Partner die Flüssigkeit auch im Liegen geben kann), Musik (ich hatte vorher eine Spotify-Playlist angelegt und höre sie bis heute – Erinnerungen!!), Kamera, Haarbürste (so verknotet waren meine Haare noch nie!), Haargummis, Kaugummis / Bonbons, Kosmetik, wasserfeste Wimperntusche (falls ihr Zeit habt, sie vorher noch aufzutragen), Deo, Handyladegerät. Und für das Baby bekommt ihr in Deutschen Krankenhäusern in der Regel ein erstes Outfit, wenn ihr aber euer eigenes wollt, dann empfehle ich: 2 weiche Strampler, 2 Bodys, ein Mützchen, einen Outdoor-Overall (für den Nachhause-Weg), ein Paar Söckchen.

Diese Liste gilt für den Fall, dass ihr danach noch etwas im Krankenhaus bleibt (bei mir 2 Tage nach der Geburt). Gepackt hatte ich übrigens das Dreifache davon, genutzt tatsächlich nur das, was hier aufgeführt ist.

Dates vereinbaren

beitragsbildgeburt

Mir war es wichtig, in den Wochen vor der Geburt noch einige für mich wichtige Menschen zu treffen, und zwar ganz in Ruhe. In erster Linie meinen Mann. Wir haben uns also bewusst verabredet, um essen oder ins Kino zu gehen oder einfach gemütlich zuhause zu kochen und Serien zu gucken. Und das war (vor allem rückblickend) genau richtig, denn mit dem Moment der Geburt waren diese Zeiten erst einmal vorbei… 

Kinderzimmer- und garderobe 

… ist wirklich nicht so wichtig! Was habe ich mich bekloppt gemacht und aufwändige Excel-Listen mit allen Besorgungen, Einkäufen und noch ausstehenden Dingen gemacht und am Ende hatte sich herausgestellt, dass das Wichtigste so minimal ist: Ein einfach ausgestatteter Wickeltisch mit Windeln und Wattepads, ein paar bequeme Bodys und Schlafis, Mützchen und Overalls, ein Kinderwagen, ein Tragetuch, viele Spucktücher und fertig ist die Standardausrüstung. Klar, auch hier hatte ich Turbomutter viel mehr – genau genommen war ich bis zum 9. Monat voll ausgestattet – und musste trotzdem von Anfang an Dinge dazukaufen / umtauschen, weil es doch meist anders kommt, als man denkt (in meinem Fall deutlich dicker). Und vor allem hat man in den ersten 2-4 Wochen mehr Zeit, als man glaubt, da das Baby sehr viel schlafen wird. Also genug Zeit, um nachträglich noch Besorgungen zu machen

Schaut euch den Film „Babys“ an

Ohne Worte, schaut ihn einfach.

Fotografiert euch

Ob ihr euch mit Bauch mögt oder nicht – egal, macht Fotos! Ihr seid beide wunderschöne Frauen und habt das Glück tolle Schwangerschaften zu erleben, aber es geht mir hier vor allem darum, dass ihr diese magischen Zeiten für EUCH und für die Ewigkeit festhaltet. Glaubt mir, wenn ihr die Bilder später nochmal schaut, seht ihr nicht die dicken Finger, das aufgequollene Gesicht oder die + 20 kg allein in Brüsten und Bauch, ihr seht nur eins: Die pure, strahlende und einzigartige Schönheit einer werdenden Mama. Und ihr werdet euch augenblicklich in diese Zeit hineinversetzt fühlen, von Emotionen ergriffen und mir dankbar sein, dass ich euch diesen Tipp mitgegeben habe.

Der richtige Geburtspartner

Tja, man möge meinen, es sei immer der Vater des Kindes. Ist es aber tatsächlich nicht immer, weil die Frauen es nicht wollen. Und das ist ok. Ich persönlich fände es nur schade, dem Vater – der an diesem Wunder zu 50 % beteiligt ist – dieses Ereignis vorzuenthalten. Ich sage bis heute, dass das Beste an meiner Kliniktasche mein Mann war. Auch, wenn ich anfangs gern meine Schokokekse gegessen und bis zum Ende Musik gehört habe, hätte ich all das für die Anwesenheit meines Mannes getauscht. Nicht nur, weil er eine hammermäßige Unterstützung war, sondern weil uns die Geburt für immer noch stärker zusammengeschweißt hat. Aber dennoch ist es wichtig, dass ihr die Person in den Kreissaal nehmt, die ihr für richtig und geeignet haltet. Es muss in meinen Augen jemand sein, der Ausdauer, Geduld, Einfühlungsvermögen, Energie, Humor und Motivationsvermögen hat. Er muss euch kennen und eine Entscheidungshilfe sein, wenn ihr nicht in der Lage seid, klar zu denken.

Geburtsplan schreiben – und ihn verwerfen!

Es kann wirklich nicht schaden, sich in den letzten Wochen vor der Geburt erst allein und dann mit dem Geburtspartner seiner Wahl zusammen zu setzen und einen Plan aufzustellen. Dabei könnt ihr euch – mit noch klarem Kopf! – über euren Wunschverlauf im Klaren werden, zum Beispiel potenzielle Schmerzmittel nennen. Aber: Der Plan sollte variabel eingesetzt und während der Geburt ruhigen Gewissens verworfen werden, denn wie ich es ja pflege zu sagen: Es kommt meist anders, als man denkt. Und von 10 Freundinnen, die im Geburtsplan „keine Schmerzmittel“ stehen hatten, hatten 10 kurz nach Beginn der Wehen eine PDA. Und hey, das ist ok! In dem Moment gilt nur, was eurem Körper gut tut und nicht, was sich der Kopf vorher zurechtgelegt hat. Eine Geburt ist schon hart genug, warum es noch anstrengender machen?!

Lach mal!

Ich empfand es entkrampfend und erleichternd, trotz Schmerz und Müdigkeit viel zu lachen. Mit meinem Mann, den Ärzten oder Hebammen zu scherzen und mich und die Situation nicht allzu ernst zu nehmen. Leichter gesagt als getan, aber versucht es doch mal, wenn ihr euch währenddessen an diesen Brief erinnern solltet.

Für den Moment atmen 

Meine Schwester (2 Kinder) rief mich eines Tages an und sagte: „ich habe nachgedacht, was ich dir für die Geburt mitgeben kann, und ich habe nur einen Tipp für dich: Atme für den Moment. Nur für diese eine Wehe. Schritt für Schritt. Denk nicht an das Ende der Geburt und dass du es ja sowieso nicht schaffst, wenn das so weitergeht. Sondern konzentriere dich immer nur auf das Ende dieser einen Wehe und führe dir vor Augen, dass auch diese dich deinem Kind näher bringt. Das hilft dir, enorm viel Kraft in jede einzelne Wehe zu stecken, dir Mut zu machen und dich vor Resignation zu bewahren.“ Liebe Livia, ich danke dir bis heute für diesen Tipp, denn er war der beste, den ich für die Geburt bekommen habe. 

DU und ICH

Besteht nach der Geburt auf 1 Stunde Skin to Skin mit eurem Baby. Optimal ist, wenn ihr, das Baby und der Partner ganz allein gelassen werdet. Das Gefühl der Babyhaut auf eurer ist mit keinem anderen dieser Welt zu vergleichen – ich bekomme jetzt noch Gänsehaut bei dem Gedanken daran. 


Wenn ihr euch jetzt wundert, warum in der Liste der Punkt „Name“ fehlt, dann erkläre ich euch kurz, wieso. Ich habe nun schon in meinem Freundeskreis mehrfach erlebt, dass der zuvor ausgesuchte Name im Moment der ersten Begegnung verworfen wurde. Ja, er hatte einfach nicht gepasst! Und so nahmen sich die Eltern einige Tage (und ein Paar sogar 5 Wochen) Zeit, um den richtigen zu finden. Bei uns war es schon viele Monate vorher und auch als wir ihn zum ersten Mal sahen Lias. Nur Lias (+ Emilian). Deshalb möchte ich euch nur sagen: Stresst euch nicht bei diesem Thema. Wenn der Haken dahinter noch nicht sitzt, ist das auch fein. (S., für dich gilt es vermutlich nicht 😉 )

Himmel und Hölle

Abschließen möchte ich euch noch einen Einblick in meine persönliches, kleines Wunder geben, das am 27. August begann und am 28. vollendet war. Warum, erfahrt ihr am Ende.

Tipps für Geburt

Meine Fruchtblase platzte am 27. August um 5 Uhr morgens und zwar 5 cm VOR dem Bett, weil ich intuitiv aus dem Schlaf gerissen wurde und aufsprang, bevor das Wasser in die Matratze laufen konnte. Wir hatten sie nämlich neu und es war meine größte Angst, dass ich sie mit rosa Fruchtwasser versauen wurde. Mein Körper meinte es also wohl gut mit mir und warnte mich vor dem großen Knall. Und die gefühlt 3 Liter, die ich dann zwischen Bett und Dusche hinterließ, wischte mein liebster Mann weg, während ich mich langsam fertig machte. Und als ich das tat, war ich in mir und ganz für mich – ich kann es kaum erklären, es war ganz seltsam, aber magisch schön. Als wäre ich in einer Glaskugel und könnte die Außenwelt nicht wahrnehmen. Wenn Philipp mit mir sprach, hörte ich ihn nur gedämpft, wie aus weiter Ferne… Ja, ich begriff, dass ich nun bald den wichtigsten Menschen in meinem Leben kennenlernen werde. Wunderschön. 

Kurz darauf setzten schon die Wehen ein und wir fuhren ins Krankenhaus. Ich konzentrierte mich darauf, vor Aufregung nicht zu zittern, um möglichst cool zu wirken. Ganz nach meinem alten Flugangst-Trick: Bist du nach außen cool, beruhigt sich auch dein innerer Angsthase. 

Im Krankenhaus erfuhr ich, dass mein Muttermund nur 1 cm geöffnet war. Demotivierend. Weil ich aber schon Wehen – wenn auch noch nicht ganz regelmäßige – hatte und die Fruchtblase geplatzt war, durfte ich bleiben. In einem ungemütlichen, dunklen 2 x 2 m Untersuchungsraum mit einer Liege, einem Stuhl, einem Tisch und einem Pezziball, auf dem ich 4 Stunden herumhüpfte, mit der Hoffnung, dass sich etwas tut. Nach 6 Stunden war der Muttermund immer noch bei 1 cm. Auch die Spaziergänge und Kniebeugen hatten nicht geholfen. Stimmung war trotzdem gut, wir hatten Spaß, waren aufgeregt und voller Vorfreude. Und dennoch ein wenig genervt und enttäuscht… 

Nach 15 Stunden wurde beschlossen, die Geburt einzuleiten, da der Muttermund immer noch keine Regung zeigte. Und ab da begann dann das, was ich die meisten Frauen wohl unter „Qualen einer Geburt“ verstehen. Die Wehen wurden so unerträglich, dass ich dachte, sie würden meinen Körper von Innen zerfetzen. Entgegen meines Planes wollte ich sofort eine PDA, da zuvor weder TENS noch Entonox anschlugen. Dem Wunsch wurde sofort nachgegangen und kurz nach dem Nadeleinstich spürte ich, wie sich meine Muskeln endlich entspannten und mein Körper zur Ruhe kam. Aber nur kurz, denn nach wenigen Minuten kamen die Schmerzen wieder durch. Stündlich kam der Arzt wieder und erhöhte die Dosis, doch es führte zu nichts und es war klar: Ich war statistisch die eine von 10 Frauen, bei der die PDA nicht funktioniert. Ich befand mich also mitten in der Geburt, erfuhr bestialische Schmerzen und mir blieb nichts anderes übrig, als mich so gut es ging zu bewegen. Denn Bewegung ist bei Schmerzen besser als Stillstand (versucht immer daran zu denken und euch vom Partner zu mehr Bewegung motivieren zu lassen!). Mit letzter Kraft kniete ich auf dem Bett, bewegte das Becken vor und zurück und im Kreis, weinte und schrie vor Schmerz.

Nach 25 Stunden war mein Muttermund bei 5 cm und Lias‘ Kopf immer noch zu hoch im Becken. Es wurde noch ein kleines Fruchtwasser-Plateau aufgestochen, mit der Hoffnung, dass er abrutschen und sich der Muttermund öffnen würde –  nö. Ich erinnere mich seit diesem Moment kaum noch an die Geschehnisse, nur, dass mein Handy die Geburtsplaylist auf und ab spielte, mein Mann mir immer wieder den Strohhalm in den Mund steckte, damit ich trank und ständig irgendwelche Menschen im Kreissaal waren. Ich übergab mir regelmäßig. Und ich glaube, dass ich zwischendurch sogar einschlief. 

Nach 33 Stunden steckte der lange, haarige Arm des Chefarztes in meinem Unterleib und er verkündete die frohe Nachricht, dass wir nun bei 9cm seien. Dieser 1 cm, der zwischen mir und den Presswehen lag, wirkte nun wie ein Witz für mich. Ich war augenblicklich wieder hochmotiviert, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie ich denn auch nur eine Presswehe schaffen sollte. Dazu wäre es sowieso nicht gekommen, denn zeitgleich verfinsterte sich sein Gesicht, er sagte uns, dass der Babykopf immer noch zu hoch sei. Genau genommen: feststecken würde. Lias entpuppte sich als Sternengucker und wir hatten keine Zeit, auf eine Wende zu warten. Denn zeitgleich fielen Lias‘ Herztöne ab und bei mir wurden 41°C Fieber gemessen. Wie ich später erfuhr, wegen einer lebensgefährlichen Sepsis. Ich konnte gar nicht so schnell protestieren, wie ich auf dem OP-Tisch lag. Und ich hätte es auch nicht gewollt, denn in dem Moment wollte ich nur mein Kind gesund wissen.

Ich bekam eine Spinalanästhesie und fühlte mich das erste Mal seit vielen, vielen Stunden einfach nur gut. Ich schaute zur weißen Decke, hörte die vielen Stimmen nur rauschend aus der Ferne und versuchte, meine wirren Gedanken einzufangen, befand mich irgendwo zwischen Angst und „ENDLICH!“ Mein Mann hielt mich fest, küsste mich, als ich zugleich merkte, wie mein Unterkörper durch die Schnitte von einer Seite zur nächsten geschleudert wurde. Nur kurze Zeit später hörte ich, wie aus allen Richtungen begeisterte Rufe kamen. Es wurde gelacht und geklatscht. „Wow – that’s a big boy!“

Mein Baby.

Er schrie nicht, also wurde er erst in Anwesenheit meines Mannes in einem separaten Raum versorgt, bevor er mir gebracht wurde. Und als ich dann endlich in sein Gesicht schaute, bekam ich vor Tränen und Lachen keinen klaren Ton raus und meine ersten Worte waren ein gestammeltes, zitterndes und mäusestilles „Er ist so schön“! Die lange Reise war zu Ende… 

Ach nee, doch nicht. Erst wurde ich 45 Minuten lang zugenäht, weil ich wegen meines Riesenbabys eine besonders langen Schnitt hatte. Und dann musste ich ca. 1 Stunde nach der Geburt nochmal geröngt werden, weil ein OP-Werkzeug fehlte. Wir nahmen auch das mit Humor, denn schließlich hatten wir kurz zuvor einen frisch gebackenen Papa am Telefon erzählen hören, wie seine Frau soeben ein 63 cm und 5,5 kg Baby auf die Welt gebracht hatte. Das muss man erstmal schaffen. Und das Werkzeug? Keine Ahnung, in meinem Bauch war’s jedenfalls nicht…

Ich sag’s euch, es war eine Tortur. Aber eine schaurig schöne. Ich bin weder traumatisiert, noch bereue ich irgendeinen Schritt oder eine Entscheidung im gesamten Geburtsverlauf. Und ja, ich würde alles genau so wieder tun, weil ich mich trotz all dieser Kraftlosigkeit noch nie so stark und trotz der Schmerzen noch nie so gesund gefühlt habe. Und auch wenn viele sagen, dass ich den Kaiserschnitt doch viel früher hätte durchführen lassen sollen, bin ich froh, es nicht getan zu haben. Denn ich weiß heute, dass ich alles in meiner Macht stehende versucht habe, um das Kind auf die Welt zu bringen, ich weiß, wie sich eine Geburt bis kurz vor Schluss anfühlt und ich weiß, dass ich ganz bei mir war und intuitiv handelte. Und somit unsere eigene, besondere Geburtsgeschichte mit wundervollem Happy End schrieb. Wie bald auch ihr.

Mädels, warum ich euch die Story mit all diesen fiesen Details erzählt habe? Ganz sicher nicht, um euch Angst zu machen. Im Gegenteil. Meine Geburtsgeschichte ist eine außerordentlich dramatische und turbulente und die Chancen, dass ihr eine ähnliche erlebt, sind eigentlich gering. Und selbst wenn ihr ebenfalls durch die Hölle gehen müsst, dann seht ihr ja, dass am Ende doch eigentlich alles egal ist und aus der Hölle im Nu der Himmel auf Erden wird. 

Ihr hoffe ihr seht nun, dass euch gar nichts passieren kann. Bis auf eins und das ist sicher: Dass ihr euch unsterblich in einen kleinen Menschen verlieben werdet… 

 

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17 Kommentare

Sophia 8. März 2016 - 18:50

Danke für den tollen Bericht! Er hat mir sehr geholfen am Weg meine Geburtsgeschichte zu verarbeiten. Eins verwirrt mich noch, das 63cm Baby ist deins oder von wem anderen? Auf instagram steht ja was von 53cm!?
Alles Liebe!

Antworten
mama moves 28. März 2016 - 8:14

Das war das Baby der anderen 😀 Ja, Lias hatte 53 cm. Dir auch alles Liebe!

Antworten
Alice 29. Februar 2016 - 20:46

Wunderschön geschrieben erinnert mich an meine Geburt danke für den tollen emotionalen geburtsbericht

Antworten
Isabell 26. Februar 2016 - 16:52

Ein toller Bericht und ein toller Blog. Weiter so!

Antworten
Jessy 23. Februar 2016 - 18:43

Wunderschön geschrieben und versetzt uns (alle Mamas) an den Zauber des Anfangs zurück !Dieser Zauber,der jeden Tag stärker wird und die Liebe zu unseren Babys wird jeden Tag tiefer .Vielen Dank dafür

Antworten
Christin (wanderlustini) 23. Februar 2016 - 16:43

Danke Yavi, für deine ehrliche und persönliche Geburtsgeschichte! Ich hab ehrlich etwas Angst vor der Geburt, aber ich denke wie du, dass das normal ist. In 2 Monaten werde ich den Brief nochmal lesen und dann meine eigenen Emotionen damit verknüpfen können. Ich freu mich drauf! Mach bitte weiter so! :-*

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