Gefühle und Gedanken einer Erzieherin in der Eingewöhnung (Gastbeitrag)

von mama moves

Foto: Yavi privat

Text von Anonym

Ich war schon immer an der Arbeit mit Kindern interessiert. Wollte immer den Kinderwagen schieben von Bekannten, war oft in dem Kindergarten von meiner Cousine und mein allererstes Praktikum fand auch im Kindergarten statt. Ich habe mal ein Praktikum beim Tierarzt gemacht, um Neues auszuprobieren. Das Interessante an dem Praktikum waren aber nicht die Tiere, sondern die Tochter (gerade mal 8 Monate alt) der Chefin, um die ich mich die meiste Zeit kümmerte.

Ich würde sagen, dass mein Job eine Berufung ist. Eine Berufung, die ich zu 100% umsetzten wollte und mich den Berufsvorstellungen meines Vaters widersetzte.

Ich begann die Ausbildung und bereits im zweiten Lehrjahr habe ich gemerkt, dass mich die Arbeit mit Kindern unter drei Jahren mehr interessierte, als die Arbeit mit Kinder von 3-6 Jahren. Die Entwicklungsschritte und diese intensive und vertraute Bindung hat‘s mir einfach angetan. Und auch das spannende Abenteuer der Eingewöhnung.

Ich habe viel darüber nachgedacht. Wie wird ,,mein erstes Kind‘‘ wohl sein? Wie werden die Eltern des Kindes sein? Wie lange wird die Eingewöhnung dauern? 2-3 Wochen oder doch 3-4 Wochen?

Die erste Eingewöhnung

Dann kam der Tag der Tage, meine erste Eingewöhnung startete. Voller Vorfreude, Neugier, Energie und Geduld fing ich meinen Arbeitstag an. Die ersten drei Tage liefen so gut, dass ich es selber nicht glauben konnte. Jeden Tag habe ich mich darauf gefreut, dass Kind wiederzusehen. Bereits am ersten Tag konnte ich Kontakt zu dem Kind aufbauen, was ich ehrlich gesagt gar nicht erwartet hatte. Ich war positiv überrascht. Auch die vielen Kinder und lauten Geräusche machten dem Kind nichts aus. Es entdeckte die Gruppe und uns Erzieher/innen, mit der Sicherheit, dass Mama da ist.

Voller positiver Ereignisse, Gefühle und Gedanken steuerte ich gemeinsam mit der Mutter die erste Trennung an (Tag 3). Nicht nur weil es so gut lief, sondern auch, weil ich wusste, dass die Mutter bald wieder arbeiten muss und ich wollte, dass sie mit einem guten Gefühl in das Arbeitsleben starten kann.

Nun ja, die erste Trennung wurde nach 3 Minuten wieder beendet, was völlig legitim ist. Aber was sich in diesen drei Minuten bei dem Kind und mir entwickelt hat, war nicht mehr so positiv. Das Kind entwickelte eine große Wut und schrie wie am Spieß. Es wollte auf meinen Arm aber gleichzeitig drückte es sich von mir weg. In diesen drei Minuten versuchte ich alles, was ich an Fachwissen und menschlichem Instinkt besaß, anzuwenden. In meinem Kopf hörte ich nur noch ,,Ablenkung, Ablenkung, Ablenkung“. Die nächsten Tage der Eingewöhnung verliefen nicht anders.

Eine emotionale Achterbahn

Das Kind schrie und weinte und ich versuchte wieder alles herauszuholen, was ich besaß, doch nichts half. Dazu kam, dass das Kind im Sekundentakt auf meinem Arm  und in der gleichen Sekunde wieder runter wollte. Ich spielte dieses ,,Spiel‘‘ mit, doch irgendwann habe ich gemerkt, dass ich an meine körperlichen Grenzen kam.

Dieses ganze Prozedere zog sich hin. Mal gab es Fortschritte, wo das Kind für 2 Minuten den Raum erkundete und mal fielen wir wieder in das alte Muster zurück.

Hinzu kommt, dass die Gruppe aus 15 Kindern besteht, die auch ihre Bedürfnisse haben und diese befriedigt haben wollen. Und genau in der Eingewöhnungszeit forderten die ,,alten‘‘ Kinder größere Bedürfnisse und am besten sollten die sofort befriedigt werden. So oft saß ich da, mit dem schreienden Kind auf dem Schoß und musste dem anderen Kind erklären, dass ich die Bedürfnisse in diesem Moment nicht stillen kann. Sei es ein Buch angucken oder Lieder singen. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen in diesen Momenten, als ich in die traurigen Kinderaugen sah. Und plötzlich hat man drei weinende Kinder auf dem Schoss sitzen.

Meine Gedanken kreisten nur um das Kind, das schreiend auf meinem Schoß saß und ich mich fragte, wann es endlich damit aufhört. Es mag gemein klingen, aber in diesem Moment hofft man auf diesen Moment der Erleichterung. Dass man ohne ein schlechtes Gewissen auf die Toilette gehen kann, weil man weiß, dass das Kind weinend an der Tür steht und darauf wartet, dass man wieder kommt.

Verzweiflung und Hoffnung 

Ich war verzweifelt und wusste nicht mehr weiter. In manchen Situationen war ich auch komplett überfordert. Ich versuchte mich immer wieder in das Kind hineinzuversetzen, mich zu fragen, warum es jetzt weint. Manchmal gelang es mir, manchmal aber auch nicht. Ich hatte das Gefühl, ich werde dem Kind nicht gerecht. Egal was ich versuchte, nichts half. Und dieses Gefühl dem Kind nicht gerecht zu werden, hat mich innerlich so fertig gemacht, dass ich an manchen Tagen nur noch geheult habe, vor Verzweiflung und Überforderung und mich nicht mehr gefreut habe, dass Kind am nächsten Tag wiederzusehen. Ich war sogar erleichtert, wenn das Kind mal nicht da war. Nicht nur, weil ich das weinen nicht mehr hören konnte und verzweifelt war, sondern auch weil ich mich ab da auch auf die anderen Kinder konzentrieren konnte.

2 Monate später hatte sich einiges verändert, einiges ist aber auch gleich geblieben. Es gibt Phasen, wo ich mich alleine durch den Raum bewegen kann, solange ich im Blickfeld des Kindes bin. Diese Phasen schätze ich ungemein, weil ich sehe wie zufrieden das Kind den Alltag in der Gruppe erlebt. Sobald ich aber ein anderes Kind auf dem Schoß habe oder den Raum verlasse um Wickeln zugehen, wird geweint. Aber von Tag zu Tag gibt es mehr Phasen, wo wir beide zufrieden sind.

Emotionale und körperliche Distanz als Schlüssel 

Wie ich heute damit umgehe? Ich habe gelernt, es nicht zu sehr an mich ran zu lassen. Führe mir noch mehr vor den Augen, warum das Kind weint. Genehmige mir Auszeiten, indem ich meine Kollegen bitte sich dem Kind zu widmen. Und es hilft. Ich fühle mich freier. Kann mehr auf die anderen Kinder eingehen und ich bin entspannter. Und irgendwann wird der Tag kommen, wo es nur noch gute Phasen gibt.

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