Arbeitende Mutter, schlechte Mutter?

von mama moves

Seit der Schwangerschaft treffe ich mich mit einigen Müttern aus dem Geburtsvorbereitungskurs und es ist einfach toll, unsere Babys in allen Alters- und Entwicklungsstufen zu erleben. Mittlerweile sehen wir uns aber seltener, denn in Schottland ist es üblich, nach einigen Wochen postpartum wieder arbeiten zu gehen. Aus unserem Mutticlub sind also die meisten schon wieder back to work und es ist hier die normalste Sache der Welt. Wie in vielen andere Ländern auch.

Und in Deutschland? In Deutschland wird aus diesem Thema eine große Nummer gemacht und man wird von vielen anderen (meist nicht arbeitenden) Müttern abwertend angeschaut und auch gern verbal attackiert, wenn man wieder arbeiten möchte – auch nach einem Jahr Elternzeit. Dann kommen meist Aussagen wie „Ja wozu bringt man denn Kinder auf die Welt, wenn man sie ein Jahr später an fremde Leute abschiebt?“ Eine Frechheit. Abgesehen davon, dass ich es unmöglich finde, andere Mütter für ihre Lebenswünsche zu verurteilen und sich das Recht herauszunehmen, fremde Lebenspläne zu kritisieren, sollte meiner Meinung nach viel mehr Wertschätzung für die Entscheidungen anderer Mütter herrschen. Und dafür, dass einige Mütter keine andere Wahl haben, als früh zur Arbeit zurückzukehren – die finanzielle Lage nimmt ihnen die Entscheidung ab. 

Bin ich eine gute Mutter?

Ich sage: Eine gute Mutter ist eine gute Mutter, wenn sie tut, was sie erfüllt. Wenn sie lebt, wie sie schon immer gern gelebt hat oder leben wollte, wenn sie ist, wer sie wirklich ist, wenn sie ihre Zufriedenheit ausstrahlt und somit auch ihrem Kind ein gutes Vorbild ist. Und vor allem: wenn sie in der Lage ist, ihre freie Zeit mit dem Kind so intensiv wie möglich zu nutzen, mit ihren Gedanken ganz bei ihm zu sein und mit bestem Gewissen sagen zu können: ich bin in diesem Moment zu 100 % da und nicht woanders. Auch nicht gedanklich.

Bestes Beispiel ist der eigene Partner, der in der Regel Vollzeit arbeitet und das Kind sowieso selten zu Gesicht bekommt. Findet irgend jemand von euch, dass dies der Beziehung zum Kind geschadet hat? Bei uns ganz und gar nicht. Mein Mann hatte anfangs die Sorge, dass sein Sohn Schwierigkeit haben würde, ihn wegen seiner vielen Abwesenheit wiederzukennen und sich zu binden. Und nun? Lias ist furchtbar vernarrt in seinen Vater und rastet emotional jedes Mal aus, wenn er ihm begegnet.  Ja sie sind sogar unzertrennlich und das, obwohl mein Mann sehr viel arbeitet. Neulich, als wir ihn nach einigen Stunden der Trennung (er war mit seiner Oma unterwegs) wieder abholten, ist Lias sogar an mir und meinen weit geöffneten Armen vorbei und schnurstracks zu meinem Mann gekrabbelt. Schmerzlich und unglaublich schön zu gleich. Denn es zeigt, wie nah sich die beiden sind und dass letztlich wohl vielmehr die Qualität der gemeinsamen Zeit über das Wohlergehen des Kindes und die Beziehung des Kindes zur Bezugsperson entscheidet, als die Quantität.

Ich bin, wie ich bin

Ich wurde zur Selbstständigkeit und zu Fleiß erzogen, und nur, weil mein Mann genug Kohle nach Hause bringt, will und werde ich mich niemals darauf ausruhen. Dafür habe ich nicht studiert und mir in diversen Jobs den Arsch aufgerissen. Arbeit ist neben Familie, Freunden, Sport und Vergnügen der fünfte Baustein meines persönlichen Glücks und die Definition meines idealen Lebenskonstrukts. Ich fühle mich vollständig, wenn all diese Dinge im Einklang sind und lasse mich nicht beirren, wenn jemand diese Philosophie in Frage stellt. Es ist mir egal, wenn jemand meint, es sei verwerflich, alle  2-3 Wochen für einige Stunden eine Babysitterin ins Haus zu holen, um arbeiten zu können. Oder wenn Lias 2-3 x die Woche für eine Stunde in der Babybetreuung im Fitnessstudio ist (die er wohlgemerkt abgöttisch liebt), damit ich etwas für mich tun kann. Und es wird mir auch egal sein, wenn andere Mütter meinen, ein Kind mit 1,5 Jahren in die Kita zu geben sei unverantwortlich. Denn ich weiß, wie viele Liebe und Aufmerksamkeit mein Kind von meinem Mann und mir und von all den Menschen in seinem Umfeld bekommt und solange ich sehe, dass es ihm gut geht, gehe ich weiter diesen für mich guten Weg.

Genauso akzeptiere ich auch die Entscheidungen jeder anderen Mutter, auch der, die sich gegen das Arbeiten und komplett für die Familie entscheidet. Denn wenn es das ist, das sie erfüllt, hat sie alles richtig gemacht. Und sie ist vor allem in der Lage, dieses Selbstbewusstsein, die Stärke und die Fähigkeit, seinen eigenen Weg zu finden und gehen zu wollen, an ihre Kinder zu vermitteln. Und ist das nicht nun mal der Kernpunkt einer guten Erziehung?

Was will dein Kind? 

Und überhaupt: Wieso wird nicht auch auf das Bedürfnis und den Charakter des Kindes geschaut, bevor einfach entschieden wird, 3 Jahre bei seiner Mutter zu sein sei der beste Weg? Vielleicht sollten wir alle vielmehr danach gehen, was unser Kind braucht, und das lässt sich sicherlich nicht pauschal beantworten. Wenn ich Lias und die Kinder in meinem Umfeld beobachte, sehe ich enorme Unterschiede. Während die einen sehr mit ihrer Mutter verbunden und von ihrer ständigen Anwesenheit abhängig sind, fühlen sich andere Babys „on tour“ und mit viel Kontakt zur Außenwelt am wohlsten.

Solch ein Kind ist Lias. Extrem kontaktfreudig, abenteuerlustig, gesellschaftsbedürftig. Er liebt es, Menschen um sich herum zu haben und blüht auf, wenn er im Mittelpunkt ist. Seine größte Begeisterung gilt übrigens anderen Kindern und wenn er in der Babybetreuung im Fitnessstudio ist, höre ich anschließend nur, wie viel Spaß er hatte. Und wenn wir mal einen Tag nur zu zweit und Zuhause sind, was oft genug vorkommt, ist er unausgeglichen und dementsprechend auch seine Laune. 

Warum sollte man also solch ein Kind für 3 Jahre zuhause mit seiner Mutter einsperren? Und was ist falsch am regelmäßigen Kontakt mit anderen Kindern? Und gleichzeitig: Warum sollte man ein Kind, das das absolute Gegenteil von meinem ist, zu früh zur Trennung von der Mutter und zum täglichen Zusammensein mit vielen anderen Kindern und Betreuern forcieren?

Ich möchte arbeiten – und stehe dazu!

Mein Mann sagte neulich an der Haustür auf dem Weg zur Arbeit, wie gern er jetzt bei uns bliebe. Ich erwiderte: „und ich würde jetzt gern für einen ganzen Tag ins Büro gehen“. Ich schäme mich für solche Aussagen nicht. Denn jede von uns Müttern hat ihre Bedürfnisse und während die meisten sich einen Tag im Spa, beim Friseur oder Shopping wünschen, sehne ich mich manchmal nach einigen Stunden Arbeit am Stück. Nur mein Hirn und ich. Geistige Herausforderungen. Ziele. Erfolg. Nur ein paar Stunden ohne Lias, den ich ja trotz allem abgöttisch liebe und schmerzlichste vermisse, wenn er nicht bei mir ist. Aber dem ich mehr meiner Liebe geben kann, wenn ich mich und mein Leben liebe. Wenn ich auftanken kann. Wenn ich zufrieden und erfüllt bin. Und nicht verbittert.

Ich habe mit der Arbeit – im weitesten Sinne – bereits 2 Monate nach Lias‘ Geburt begonnen. Ich habe diesen Blog aufgesetzt, beschäftige mich mit Texten, so, wie ich es schon immer gemacht habe, denn Schreiben ist meine Leidenschaft UND mein Beruf. Ich bin Journalistin und ich möchte das auch in Zukunft bleiben. Und wenn Lias schläft, nutze ich jede Sekunde für’s Schreiben oder jegliche andere Art von Arbeit. Ich setze mich nie zur Ruhe, lege mich nicht hin oder schaue nicht fern, denn Arbeit ist für mich Erholung, Erfüllung, Glück. Mein Weg. 

Und wenn Lias wach ist, ist Feierabend. Genauso, wenn er einen schlechten Tag hat. Zahnt, krank ist. Dann sitze ich nicht am Laptop und ich bin selten am Handy. Ich binde ihn zwar in meinen Alltag ein, er begleitet mich im Haushalt, beim Treffen mit Freunden, Erledigungen, aber ich bin zu 100% Mutter. Und zwar eine verdammt glückliche. Und wenn ich Lias anschaue, sehe, wie er vor Energie und Freude nur so platzt, glaube ich, dass auch er glücklich ist. Dass er ein wenig von meiner Lebens- und Arbeitsfreude abbekommt. Dass ich alles richtig mache.

Bin ich eine gute Mutter? 

Und dennoch gibt es Momente des Zweifels. Und dann weiß ich nicht, ob ich richtig entscheide, ob ich eine gute Mutter bin. Ich spreche über diese Gedanken offen mit meinem besten Freund aka. Ehemann, der einmal gesagt hat: „Du bist bei weitem nicht perfekt, aber wenn du etwas in absoluter Perfektion beherrschst, dann das Muttersein.“ Die Bestätigung eines Menschen, der mich tagtäglich mit Lias erlebt, ist in den Momenten des Zweifelns und Strauchelns enorm wichtig und verschafft mir Sicherheit und Stabilität. In solchen Gesprächen werde ich wieder daran erinnert, wer ich bin. Und mir werden all meine positiven Eigenschaften aufgezeigt, nämlich die, die mich zu einer guten Mutter machen. Eine gute Mutter nach UNSERER Definition –  jeder sollte seine eigene bestimmen. Am besten mit dem Partner und mit dem eigenen Gewissen. 

Ich habe mir eines Tages eine Testfrage überlegt, die mir bei Zweifel und der Frage nach „Richtig oder Falsch?“ helfen soll, auch dann, wenn ich gerade nicht mit meinem Mann sprechen kann. Ich frage mich dann: „Tust du das, was du gerade tust, mit reinem Gewissen?“ Wenn ich diese Frage ohne auch nur einen Moment zu Überlegen mit „Ja“ beantworten kann, ist alles gut. Wenn ich mir nicht sicher bin, versuche ich herauszufinden, was mich irritiert. Beispiel: Lias und ich spielen gemeinsam und ich bemerke, wie ich nebenbei gedanklich meine To Do’s sortiere und in einem Anflug von Panik ganz unruhig werde und mich am liebsten sofort ans Laptop setzen würde, um die To Do’s abzuarbeiten. DAS fühlt sich für mich falsch an und wenn ich mir da die Frage stelle, ob ich in dem Moment mit „reinem Gewissen tue, was ich gerade tue“ – nämlich mit Lias zusammen sein und spielen – müsste ich sie mit „nein“ beantworten. In solchen Augenblicken versuche ich sofort wieder umzuswitshen – aus der Rolle der arbeitenden Frau in die Rolle der arbeitslosen Mutter – und mich wieder zu 100 % auf Lias zu konzentrieren. Als Mutter mit der Fähigkeit, Arbeit von Familie zu trennen und in beiden Bereichen zu 100% da zu sein, sie aber niemals zu vermischen. Und wisst ihr was? Kein Problem. Ich kann das. Das macht mich in meinen Augen zu einer guten Mutter.

Meine Zukunft

Was ich aktuell tue, Bloggen, betrachte ich als Arbeit und als Vorspiel meiner beruflichen Zukunft. Ein „mit einem Fuß im Business bleiben“. Was ihr tagtäglich seht, ist hier und da mal ein Post, bei Instagram oder auf dem Blog, aber was ihr nicht seht, ist meine kontinuierliche Arbeit an meiner Zukunft als Journalistin. Welche Projekte ich aufstelle, welche (Business-) Pläne ich schmiede, was im Konkreten passieren soll, wenn Lias groß genug ist, um mehrmals die Woche einige Stunden ohne mich zu sein. Vielleicht in einem halben Jahr. Ich spreche darüber erst, wenn der richtige Augenblick gekommen ist, aber so viel darf ich euch schon sagen: mama moves ist erst der Anfang eines langen, glücklichen Marathons als arbeitende Mama.


 

Wie ist deine Meinung dazu? Willst und gehst du wieder arbeiten? Und vor allem: glaubt du, eine gute Mutter zu sein?

 

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5 Kommentare

Frieda 27. Juni 2016 - 17:41

Liebe Yavi, du schreibst wahre Worte! Das erste Jahr mit meiner Tochter habe ich auch gedacht, ich kann nur eine gute Mutter sein, wenn ich 24h um sie rum bin. Erst später habe ich gemerkt, dass das vollkommen Quatsch ist. Sich 24h nur mit dem Kind zu beschäftigen kann auf Dauer nicht glücklich machen, denn wie du schon schreibst, nur eine glückliche und zufriedene Mutter kann auch eine gute Mutter sein. Aber wer ist schon zufrieden, wenn er sich rund um die Uhr um einen anderen Menschen kümmert (Egal, wie sehr man diesen liebt!) und sich selbst dabei total vergisst?
Mittlerweile arbeite ich auch wieder selbständig von Zuhause aus. Ich habe mein Kind die ganze Zeit um mich und tue trotzdem etwas für mich! Das ist mir wichtig, denn so bin ich zufrieden und kann diese Zufriedenheit auch an meine Tochter weitergeben.
Viele Grüße, Frieda
http://www.mama-graphics.de

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Jeanette 25. Juni 2016 - 9:41

….da ist was wahres dran. Zufällig bin ich heute über das folgende Interview gestolpert: http://mobil.woman.at/a/sarah-fischer-interview

Sehr lesenswert….!

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Mika 24. Juni 2016 - 19:22

Liebe Yavi,
dieser Post scheint vielen aus der Seele geschrieben zu sein,so auch mir.Das Thema:Wann geht Mutti wieder arbeiten und in welchem zeitlichen Umfang ist auch hier gerade erst ein grosses Thema gewesen.Unsere Tochter ist ein Novembermädchen und total auf mich fixiert.Tagesmütter oder Kitas kommen uns maximal bis September entgegen.Ab dann müssten wir eingewöhnen.Anfangs dachte ich:Okay habe ich zwei Monate zur Eingewöhnung und auch die ein oder andere Stunde für mich. Dann fragten wir uns,ob unsere Tochter zu dem Zeitpunkt bereit wäre von jemand anderem als mir betreut zu werden.Denn es geht hier in erster Linie um unsere Tochter.Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen…Nein!Also wurde der Taschenrechner gezückt und das Ergebnis ist,dass ich noch ein paar Monate mit unserer Tochter verbringen darf.
Ich liebe meinen Job,doch aktuell liebe ich meinen Mamajob mehr und möchte meiner Tochter die Zeit geben die sie braucht.Die Frage alle Fragen,ob ich eine gute Mutter bin stelle ich mir laufend und bin es für mich ganz persönlich in jedem Fall.Was andere denken(ausser meinem Mann) muss ich ehrlich gestehen interessiert mich nicht.Danke für diesesn schönen Post und ganz liebe Grüsse

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Juli Scharno 24. Juni 2016 - 12:28

Hach, meine teure Mama Moves, ein wahrer Post zu rechten Zeit! Gerade heute habe ich den Betreuungsvertrag für die Zwilbos unterzeichnet! Ab August gehen sie in eine zauberhafte Tagespflege, in der zwei Erzieherinnen gemeinsam neun Kinder betreuen. Es ist ein wunderbarer Ort, und ich werde Raum bekommen, etwas zu arbeiten, etwas Zeit für mich zu haben und auch, um das vergangene Jahr ein wenig sacken zu lassen. Denn insbesondere zu letzterem blieb mit den Jungs kaum Zeit. Gleichwohl zittere ich dieser Zeit entgegen, denn sie bedeutet – wohl in erster Linie für mich – Trennungsschmerz. Trennung von unserem ersten gemeinsamen, sehr symbiotischen Jahr, von unserer Exklusivität. Für die Kinder wird es, so hoffe ich, ein Bereicherung sein. Denn „viele“ Bezugspersonen zu haben, sich an anderen orientieren und reiben zu können, ist eine Bereicherung, auch wenn Mads und Pepe stets einander haben. Ich weiß, dass es richtig und gut ist, auch wenn winzige Ängste bleiben, wie es für meinen sensiblen Erstgeborenen werden wird. Alles Liebe!

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Christina 23. Juni 2016 - 17:03

Liebe Yavi,
ich stimme Dir zu 100% zu. Du sprichst mir aus der Seele. Manche Frauen brauchen die Arbeit um sich selbst einen Ausgleich zu schaffen, so jemand bin ich auch. Von der finanziellen Seite mal ganz abgesehen, gehe ich in zwei Monaten wieder arbeiten und Emil in die Kita und ich freue mich so sehr auf diese Zeit. Das kann ich aber auch nur, weil ich weiß, dass sich Emil dort sehr wohlfühlen wird, denn wie Lias auch, ist Emil ein sehr kontaktfreudiger und energiegeladener Mensch, der erst so richtig aufblüht, wenn er andere Kinder um sich hat. Natürlich sind auch Auszeiten für die Kleinen notwendig, aber ich merke auch, dass, wenn wir mal einen Tag nur Zuhause sind, ist Emil unausgeglichen und gelangweilt. (Und das, obwohl ich hier ein enormes Entertainment Programm abspiele)
Im Endeffekt ist doch so, wie mit allen Dingen als Mama, man macht alles richtig, wenn man es mit gutem Gewissen macht und ein glückliches Kind hat.
Liebe Grüße, Christina
http://www.lottiundemil.de

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