Heute vor 6 Monaten kam unser Lias Emilian zur Welt. Wie sehr die Zeit wirklich rast, weiß ich erst, seitdem ich seine Mama bin. 6 Monate sind wie ein Augenschlag, du blinzelst und im nächsten Augenblick ist dein Kind 20 cm länger, kann die Ärmchen nach dir ausstrecken, nach dir rufen, sitzen, essen, über dich und mit dir lachen, beim Blick aus dem Fenster in Gedanken versinken und bewusst Dinge tun. Und dir wird bewusst, warum dein Kind manchmal so schlecht schläft, weint, wenn du es ablegst oder plötzlich wütend aufschreit, obwohl es mit seinem Lieblingsspielzeug spielt: Es geht durch enorme Entwicklungsprozesse und versteht nicht, was mit ihm passiert.
Und dir wird dann umso bewusster, wie sehr es dich braucht. Du bist sein Halt, sein Mittelpunkt, du bist die Konstante. Deine Wärme, dein Geruch, deine Stimme sind sein Zuhause und deine allererste Aufgabe als Mutter ist dieses in Ordnung zu halten.
Das ist für mich die Definition meiner Mutterrolle. Das ist das, was mich immer davon abgehalten hat, mein Kind allein zu lassen und einfach wegzugehen, wenn es geschrien und geschrien hat und sich nicht beruhigen wollte und mein Herz dabei in tausend Stücke zersprang und ich einfach nicht mehr konnte. Das ist auch das, was mich immer motiviert hat, mein Kind stundenlang im Tragetuch zu tragen, auch, als es schon 8kg wog und mein Rücken schmerzte. Das, was mich ausnahmslos jeden Morgen grinsen ließ, obwohl ich insgesamt nur 3 Stunden Schlaf hatte. Und das ist das, was mir jeden Tag die Energie gibt, meinem Kind die Welt zu zeigen und zu erklären, auch, wenn ich zu müde bin, mir selbst die Welt anzuschauen.
Ja, ein Kind ist ein Geschenk, das dich reicher macht, als alle Luxusgüter dieser Welt. Denn Glück kann man bekanntlich nicht kaufen. Auch nicht, dass du Dinge über dich erfährst, von deren Existenz du vorher keinen blassen Schimmer hattest. Zum Beispiel, dass Popo abputzen (nicht deinen, sondern den des Babys) Spaß machen kann oder du kein Problem damit hast, den ganzen Tag mit Babykotze auf deiner Bluse herum zu rennen. Umziehen? Ich bitte euch, wofür? Der Paketmann würde sich doch nur unnötig erschrecken, wenn ich geschminkt und sauber die Tür aufmachen würde.
Als ich schwanger wurde, ging mein größter Wunsch in Erfüllung. Ich hatte keine Angst vor dem Leben mit Kind, ich hatte bloß großen Respekt davor. Ich stellte mir primär die Frage, ob ich in der Lage sei, einen glücklichen, guten, klugen, herzlichen und ehrlichen Menschen großzuziehen. Denn das war mir immer wichtig und ist noch heute mein oberstes Ziel. Ich las unzählige Bücher über Kindererziehung, sprach mit meinen und anderen Eltern, zerbrach mir Tag und Nacht den Kopf über die Frage nach dem „Richtig oder Falsch“.
Ha, nur ein Jahr später lache ich darüber. Denn in dem Moment, als Lias ca. 45 Minuten nach der Geburt nackt auf meiner nackten Brust lag und sofort, mit noch geschlossen Augen, intuitiv meine Brustwarze suchte und fand begriff ich, dass ich nur eins zu tun habe: meiner Intuition folgen. Mein Kind so erziehen, wie ICH es für richtig halte, auf die Signale zu hören, die er mir sendet, ihm Stück für Stück meine Weltanschauung zu vermitteln – mit genügend Raum für seine eigene. Und von da an war Lias mein Ratgeber und ich studierte ihn genau.
Die Geburt war ein magischer Einschnitt, nicht nur, weil mein Bauchbewohner ausgezogen und in realer Gestalt in mein Leben eingezogen war. Sondern auch, weil all die verrückten Gedanken und Vorbereitungen adhoc verpufften. Ich war Mama. Echte Mama. Das, was ich vorher getan und gedacht habe, hatte mit dem (Kaiser-) Schnitt keinen Einfluss auf mein neues Ich. Ich war nur noch von einem kleinen Wesen gesteuert, handelte mit dem Herzen und Bauch und fühlte mich gut dabei. Denn ich wusste, ich tue das Richtige für ihn und mich. Mir war plötzlich egal, dass die Bücher sagten, mein Kind dürfe nicht in unserem Bett schlafen. Lias hätte doch auch gar nicht verstanden, wenn ich ihm während seines kläglichen, verzweifelten Weinens erklärt hätte, dass er doch bitte im Beistellbett zu schlafen hat, weil Mama und Papa das eigentlich so geplant hatten. Oder dass Pucken gut für ihn sei, weil es rastlose Babys beruhigen soll. Und dass er im Schlafsack schlafen müsse, auch wenn er es ganz furchtbar findet, weil Decken für kleine Babys zu gefährlich seien.
Ich hörte nach 5 Wochen nicht nur auf herauszufinden zu wollen, weshalb er nicht allein schlafen möchte, sondern ich gab auch auf in Ratgebern zu lesen, warum er gerade so ist wie er ist. Die berühmten Wachstumsschübe / Entwicklungsschübe, die uns Müttern helfen sollen, die harten Zeiten mit mehr Verständnis durchzustehen und die Bücher und Apps, die sogar Zeitfenster angeben, damit wir uns wie an einem Strohhalm daran festklammern und den Countdown runterzählen können… ich wollte all das nicht mehr. Ich beobachtete mein Kind einfach, ich verstand auch ohne App, dass das physische und psychische Wachsen meines Kindes zu enormer Unruhe führt und ich wusste, dass vor allem meine Nähe seine sichere Höhle ist. Und in die durfte er sich verkriechen, wann auch immer er wollte. Auch, wenn es dann hieß, dass ich den ganzen Tag oben ohne herum lief, weil der kleine Babymund sowieso an meiner Brust kleben blieb. Oder eben, dass mein Mann und ich viele Wochen unser heiliges Ehebett mit unserem Baby teilten, weil es am friedlichsten schlief, wenn es unseren Atem auf seiner Haut spürte.
Dass sich alles irgendwann sukzessiv selbst regulierte, bestätigte meine intuitive Haltung und manchmal vielleicht ignorante Einstellung. Es kam der Tag – nach etwa 7 Wochen – als Lias plötzlich im Beistellbett schlief. Zwar im Cocoonababy, das uns und ihm schon vorher einen guten Schlaf ermöglichte, aber eben nicht mehr zwischen uns. Ob ihm nun die drei osteopathischen Behandlungen geholfen hatten (wir sind dort auf Empfehlung hingegangen und es stellte sich heraus, dass er durch die traumatische Geburt arge Stauchungen hatte, die gelöst werden konnten) oder ob er einfach bereit dazu war, ohne uns zu sein, spielte gar keine Rolle – uns war nur wichtig, dass er sich in seiner Haut und Umgebung wohl fühlte.
Alles zu seiner Zeit
Und dann kam auch der Tag, als Lias nur noch alle 3 – 4 Stunden an die Brust wollte und nicht mehr alle 60 Minuten. Irgendwann war sogar das Tragetuch nicht mehr gefragt und der Maxi Cosi völlig ok. Irgendwann mussten wir ihn beim Wickeln nicht mehr föhnen, weil er es von einem Tag auf den anderen sogar gut fand, ausgezogen zu werden.
Dann kam die Zeit, in der Lias mit Menschen und Eindrücken überfordert war und ich sorgte dafür, dass er mehr Ruhe bekam. Es ging ihm schlagartig besser. Es kam die Zeit, in der Lias von Menschen und Eindrücken nicht genug bekam und wir unternahmen mehr mit ihm, um seine Neugierde zu stillen. Es kam auch die Zeit, in der Lias ruhelos und besonders anstrengend war, woraufhin ich mit ca. 4 Monaten eine Tag- und Nachtroutine einführte, obwohl manche sagten, das sei Quatsch. Auch darauf reagierte Lias sofort positiv und schlief seitdem regelmäßig und zufrieden in seinem eigenen Bett. Ohne Protest. Dann kam die Zeit, in dem Lias das abendliche Baden gut zu tun schien und ich badete ihn täglich, obwohl es heißt, es sei schlecht für Baby’s Haut. Lias ging’s prächtig, seiner Haut auch. Es kam die Zeit, in der Lias einen unglaublich starken Bewegungsdrang hatte und am liebsten auf den Füßen stand und dabei hüpfte, also kauften wir ihm mit 3 Monaten einen Jolly Jumper. Manche sagten, es sei zu früh, doch Lias hatte zu dem Zeitpunkt schon eine enorm starke Körperhaltung und er liebte nunmal diese wenigen Minuten in seinem Hüpfbeutel – und das tut er bis heute. Es kam die Zeit der Impfungen und ich widersetzte mich zum Erstaunen der Arztpraxis der Regel, dem Baby prophylaktisch Paracetamol zu verabreichen (wird hier in UK wegen der zusätzlichen MEN B Impfung verordnet), weil ich seine Leber nicht unnötig belasten wollte – und Lias hatte nach keinem der drei Impftermine Fieber oder andere Beschwerden. Es kam die Zeit, als Lias nicht mehr in der Wanne seines Kinderwagens liegen wollte, weil er nicht heraus gucken konnte. Also bauten wir seinen Kinderwagen um und er lag / saß fortan im Sportsitz – mit 4,5 Monaten, statt mit den empfohlenen 6. Ich gebe zu, wir waren sorglos, schließlich war Lias mit seinen damals 8,5 kg ein Kraftpaket, das schon fast selbständig sitzen konnte. Als Lias mit 5 Monaten enormes Interesse an unserem Essen und unbändige Gier zeigte, gaben wir ihm erst Fingerfood, dann Brei. Obwohl die Wissenschaft dazu rät, erst mit 6 Monaten damit zu beginnen. Doch Lias verschlingt seit dem ersten Mahl den kompletten Schlüsselinhalt und ist zufriedener, fröhlicher und stärker denn je.
Ich könnte noch so viele weitere Beispiele nennen, aber ich denke ihr versteht, worauf ich hinaus möchte. Nämlich, dass es vor allem wichtig ist, sein Baby zu verstehen und nicht das (exemplarische) Baby der Wissenschaft. Ich habe verstanden, dass es kein richtig oder falsch gibt, dass die eigene Stimme wichtiger ist als die der anderen, die meinen, es besser zu wissen. Ich habe verstanden, dass die wichtigste pränatale Vorbereitung darin liegt, sich einfach nur auf das Baby und das Muttersein zu freuen. Ich habe endlich verstanden, was diese „Mutterliebe“, von der immer alle sprechen, bedeutet. Dass sie tagtäglich wächst. Habe verstanden, dass sie es ist, die selbst die schwierigsten Zeiten zu den schönsten macht. Verstanden habe ich auch, dass ich eine gute Mutter bin, wenn ich mich für meine Taten und Entscheidungen nicht rechtfertigen muss, weder vor anderen noch vor mir selbst.
Und ich habe verstanden, dass Zeit ambivalent ist, dass die 6 Monate mit Lias zwar wie im Flug vergingen, doch intensiver und ereignisreicher waren als alle Jahre meines babyfreien Lebens zusammen. Nie war ich müder, erschöpfter, vergesslicher, verzweifelter, frustrierter, und nie überraschter, verliebter, leichter, klüger, glücklicher, begeisterter, lebenshungriger, vollkommener. Und nie so sicher, dass ich alles ganz genauso nochmal machen würde.
Moment – nicht alles. Es gibt Dinge, die ich nicht nochmal kaufen würde. Welche das sind, verrate ich euch im zweiten Teil dieses Beitrags, zusammen mit den Dingen, die sich als die besten Anschaffungen für 0 – 6 Monate Baby + Mama herausstellten.
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11 Kommentare
[…] Baby lebt inmitten dieser Dinge nun seit einem halben Jahr und ich möchte ein Resümee von den genutzten und nicht genutzten Produkten ziehen, um anderen […]