Lias, mein Lieblingsthema 

von mama moves

Ich habe in den vergangenen Jahren als freie Journalistin und fest angestellte Redakteurin unzählige Texte zu diversen Themen geschrieben: Mode, Medizin, Metropolen und vielen mehr. Ich hatte nie das Problem, mich situativ in die verschiedenen Fachgebiete „hineinzufühlen“ und dachte eigentlich, dass es kein Thema gibt, an dem ich mir die Zähne ausbeißen würde.

Und nun sitze ich seit über einer Stunde vor einer leeren Textdatei und weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Die richtigen Worte zu einem Thema zu finden, das mir seit einem Jahr näher liegt als jedes andere, ist verdammt schwer. Da wären die Worte „Liebe“, „Glück“ und „Stolz“, die der Kernaussage schon ziemlich nah kommen, aber doch viel zu allgemein sind. Zu unpersönlich. Wie also schreibe ich über dieses eine Thema, das ja eigentlich mein Lieblingsthema ist?

Mein Lieblingsthema ist mein Sohn. Lias Emilian, geboren am 28.08.2015 in Edinburgh. Ich hatte das Datum schon viele Monate vorher prognostiziert, hab’s mir nämlich insgeheim gewünscht. Darin versteckt sind nämlich die 2 und die 8, die sich mein Mann und ich schon für unseren Hochzeitstag (02.08.2014) ausgesucht hatten. Die 2 steht nämlich für „Wir Zwei“ und die 8 für das Symbol der Unendlichkeit. Als die Fruchtblase am frühen Morgen des 27. Augusts platzte und ich mich innerlich von meinem Wunschdatum verabschiedet hatte, ahnte ich noch nicht, dass weitere 35 Stunden bis zu seiner Geburt vergehen würden. 

35 qualvolle und zugleich wunderschöne Stunden. Der Muttermund blieb für 15 Stunden bei nur 1 cm (Anm.: wir brauchen 10cm!) und selbst die vielen Spaziergänge und Pezziball-Übungen halfen nicht. Als die Wehen und damit verbundenen Schmerzen unerträglich wurden, wurde die Geburt hormonell eingeleitet und zugleich eine PDA gesetzt. Ich kürze die Story ab: PDA schlug nicht an, genau wie auch andere schmerzlindernde Maßnahmen, der Muttermund war nach 28 Stunden bei 5 cm und ab diesem Moment kann ich mich kaum noch an etwas erinnern. Was zu dem Zeitpunkt aber klar war: Lias Kopf war nach wie vor zu weit oben und auch das Aufstechen eines kleinen Fruchtwasser-Plateaus konnte nichts an der misslichen Situation ändern. Als ich mir nach 34 Stunden endlich einen Muttermund von 9cm erkämpft hatte, war es zu spät: Ich hatte wegen einer plötzlichen Sepsis extrem hohes Fieber bekommen und Lias Herztöne vielen ab, also wurde er innerhalb kürzester Zeit bei einer Spinalanästhesie per Kaiserschnitt geholt. Leider konnte ich ihn nicht sofort sehen, da er nicht schrie, aber ich hörte von allen Seiten „it’s a big boy!“ und ich musste lachen. Wir wussten ja schon vorher, dass in mir ein Riesenbaby heran wuchs. Und als ihn mir mein Mann nach wenigen Minuten brachte, sah ich meinen Bauchbewohner an und alle Sorgen und Schmerzen waren vergessen. Ich schaute auf knapp 4kg, 53 cm, ein paar Haare und einen kleinen Storchenbiss über der Lippe. Für mich war er perfekt, alles war perfekt. 

Abgeschreckt mit der Story? Ich kann dich beruhigen. So schlimm mein Geburtserlebnis aus der objektiven Perspektive auch klingen mag, es war mit Abstand das beste Erlebnis meines Lebens und ich würde es nicht anders haben wollen. Nicht nur die intensiven Stunden mit meinem Mann, auch der Gedanke daran, dass mich jede einzelne Wehe der Begegnung mit meinem Baby näher brachte, verliehen mir immer wieder einen Adrenalin- und Serotonin Schub. Ich fühlte mich stark, so stark wie noch nie, obwohl meinen Körper längst alle Kräfte verlassen hatten. Und tatsächlich war jegliche Tortur im Moment der Begegnung mit meinem Baby vergessen. 

IMG_9272

Erstaunlicherweise ist es heute ganz ähnlich, wenn Lias mich die Nacht nicht schlafen lässt oder sein lautes Stimmorgan auf alle Oktaven überprüft: Ich bekomme nicht genug von seinem Anblick und bin immer wieder überwältigt von den Glücksgefühlen. Gefühlen, die ich vorher nie kannte, obwohl ich mich immer als glücklich bezeichnet hatte. Gefühlen, die vielleicht nur eine Mutter fühlen kann. Gefühlen, die selbst in schwierigen Zeiten das Band zwischen Mutter und Kind gespannt halten. Gefühlen, die dich immer wieder daran erinnern, wie perfekt dein Kind ist. 

Ja, Lias ist für mich perfekt. Er ist witzig, fröhlich, aktiv, neugierig, ja er schläft nachts nicht viel, aber das ändert nichts an seiner Perfektion, auch nicht die Tatsache, dass er extrem laut kreischen kann oder manchmal stundenlang durch die Wohnung getragen werden möchte. Wir können zusammen lachen und weinen, baden und kochen, schlafen und quatschen. 

Und vor allem: gemeinsam Sporteln. Von Anfang an habe ich Lias in meine postnatalen Gymnastikübungen und später ins Fitness- und Krafttraining eingebunden und war zugleich besonders motiviert, weil er bei jeder meiner Bewegung freudig quiekte, aber meckerte, wenn ich aufhörte. Er schaut mir auch noch heute gebannt zu und macht mit seinen Beinchen fleißig mit, reißt seine Ärmchen hoch und zappelt irgendwann mit dem ganzen Körper. Ich liebe diese Momente mit ihm und bin unendlich dankbar, dass ich ein Baby habe, das mir dieses Hobby nach wie vor möglich macht. 

Deswegen ist Lias ein Teil dieses Blogs, aber nicht sein Mittelpunkt. Es wird weniger darum gehen, was er am liebsten isst oder wie viele Stunden er nachts schläft, sondern wie es möglich ist, ein (kleines) Kind in seinen aktiven Lebensstil einzubinden. Einen Lebensstil, der aus mehr als nur Babyschwimmen, Windelwechseln und dem richtigen Beissring besteht, der auch weiterhin das beinhaltet, was uns vor dem Elternsein erfüllte. Wie wir zugleich Mutter als auch Frau sein können, wie wir Zeit und Power für die kostbare Mama-Kind-Momente aber auch nur für uns und unseren Körper finden. Denn wir dürfen nie vergessen, dass die glücklichsten Kinder die von glücklichen Eltern sind. 

MerkenMerken

Das könnte dir auch gefallen

21 Kommentare

Die zwei Tage, an denen mein Kind geboren wurde - mama moves 7. November 2016 - 10:10

[…] habe sie noch nie im Detail erzählt. Die Geschichte von Lias‘ Geburt. Die ich mir zuvor in etwas bunteren Farben gemalt hatte. Romantischer, harmonischer. Ich […]

Antworten
Happy 30. Birthday to me! (Alles wird gut) - mama moves 11. Juli 2016 - 6:28

[…] Seit Lias da ist, ist alles nur noch besser, bunter, kontrastreicher, sinnvoller. Auf die Gefahr, dass ich ins Phrasenschwein einzahlen muss: die Welt mit Kinderaugen zu sehen ist unbezahlbar! Und zu wissen, dass das eigene Kind die Welt ebenfalls mit seinen eigenen gesunden Augen sehen und dem gesunden Körper erkunden kann, ist das größte Glück überhaupt. Mehr hätte ich mir zum 30. echt nicht wünschen können, obwohl doch alles ganz anders kam, als ich es mir ausgemalt hatte. Denn in meiner Zukunftsskizze war ich nicht nur an irgend einem coolen Ort irgendwo auf der Welt, sondern auch eine erfolgreiche Karrierefrau, nicht verheiratet und ganz sicher auch nicht Mutter. Ob es mich frustriert, dass ich nun mit Kind zuhause sitze? Ganz ehrlich? Manchmal ja, manchmal wünschte ich mir meinen Büro-Job zurück oder was ganz anderes, Aufregendes, aber nur, um im nächsten Augenblick erleichtert zu denken: Oh, neee. Genau das, genau hier, genau jetzt. Es kommt noch früh genug alles ganz anders. Wie immer. […]

Antworten
Jessica 7. März 2016 - 20:21

Ich liebe jedes geschriebene Wort von Ihnen. Und obwohl ich keine Kinder möchte (zumindest nicht absehbar) und noch gar nicht die emotionale und geistige Kraft besitze, mein Leben nach jemand anderem zu orientieren und weit davon weg bin, angekommen zu sein, macht es mir Freude Ihre Bilder anzusehen und zu lesen, wie glücklich und erfüllt Sie sind. Sie inspirieren mich; und auch wenn es mich verrückt macht, dass mir jeder sagt, bei mir wäre es allerhöchste Eisenbahn Kinder zu kriegen, da ich ja schon ur-alte 28 Jahre alt bin, ich mich selbst aber viel zu jung für Kinder fühle, macht mir Ihr Blog Lust, bzw erweckt er Freude in mir, eines Tages mal Ähnliches zu erleben. Dafür danke ich, denn fern ab voll all den Muttis in meinem Dorf, die ausser Hugo-Trinken und Babytalk wenig (nach aussen) beschäftig, erleichtert es mich, durch Sie den Einblick in das Leben einer jungen Mutter zu haben, die mehr ist und schon immer war und das nicht vergessen hat und auch dafür sorgt, das andere das nicht vergessen.
Aus Angst wird Ansporn.

Antworten
mama moves 28. März 2016 - 8:16

Ich danke für diesen wundervollen Kommentar! Ich bin sehr berührt von dem Gedanken, andere mit meinen Texten berühren zu können. Alles Liebe!

Antworten
1 2

Schreibe einen Kommentar

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Akzeptieren Weiterlesen